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Leierkastenmann

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Um die wandelnde Orgel erklingen zu lassen, braucht Werner Wittpoth nicht mehr als Rhytmusgefühl, sein Instrument und seine Hände. Obwohl Wittpoth seit seiner Geburt eine Fehlbildung der Hände und Arme hat, dreht der fröhliche Mann mit dem schwarzen Zylinder seit über 30 Jahren die Wanderorgel. Er sieht sich nicht als Künstler. Wir finden, dass er es doch ist.

Der fröhliche Leierkastenmann
Köln. Eine Stadt mit wandernden Klängen. Ob Akustikgitarre oder Zither. Musik schleicht durch die Straßen der Kölner Innenstadt und lädt zum Hinhören ein.

„Ich heiße einfach der Leierkastenmann.“ Um genau zu sein: „Der fröhliche Leierkastenmann“, denn so kennen ihn die Kölner. Die Schildergasse ist seine Bühne. Mit 24 Jahren kam er an den Rhein. Köln – neue Stadt, neues Leben. Ein neuer Job musste auch her: „Ich war noch zu jung, um nichts zu tun, und möchte heute aber auch nichts Anderes mehr tun.“

Werner Wittpoth ist seit seiner Geburt contergangeschädigt. In Köln fand er ein großes Netzwerk an Betroffenen. Atoxisch, ungefährlich und ungiftig – so propagierte damals die Firma. „Das Schlafmittel des Jahrhunderts“, hieß es allerorts. Bis zum Ende der 1950er Jahre wurde das Medikament Schwangeren verabreicht. Die Nebenwirkungen für Neugeborene? Fehlbildungen von Gliedmaßen und Organen. In manchen Fällen sind die Körperteile gänzlich weggeblieben. Rund 2.400 Contergan-Opfer leben in Deutschland.

Auch Werner Wittpoth hat verkürzte Arme und verdrehte Hände. Und trotzdem spielt er seit 32 Jahren an seiner Wanderorgel – bis zu sechs Stunden am Tag. Eine wandelnde Jukebox. 160 Pfeifen spielen die Godmother of Punk, Nina Hagen: „Du hast den Farbfilm vergessen.“

Nina Hagen kennt er sogar persönlich seit vielen Jahren, sie sind per Du. Die Sängerin ist Ehrenmitglied des Contergan-Netzwerks. „Ich mache das schon seit zwei Jahren immer mal wieder bei ihr. Letztes Jahr war ich auf einer Geburtstagsparty.“ Das nächste Wiedersehen steht auch schon fest: „Am 23. März spiele ich wieder mit Nina Hagen im Berliner Ensemble, also im Brecht-Theater – da mache ich einen Brecht-Abend.“

Ob Nina Hagens Geburtstag oder ein Abend im Berliner Ensemble: Verglichen damit ist Werner Wittpoths Lieblingsort bescheiden: „Eigentlich bin ich am liebsten auf der Straße.“

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