In Köln, Rondorf-Hochkirchen soll bald ein Flüchtlingsheim gebaut werden. 80 Menschen, davon 40 Kinder, sollen dort ein neues zu Hause finden. Wir haben die Dorfbewohner gefragt, was sie davon halten.
Die Chronologie:
Wir haben mit Sosan Azad gesprochen. Sie ist interkulturelle Mediatorin in Berlin und berät regelmäßig das Team von Flüchtlingsheimen. Sie kam Mitte der 80er Jahre aus Afghanistan nach Deutschland.
In Köln Rondorf und Hochkirchen gibt es viele, die sich Sorgen machen, dass die Flüchtlinge sich nicht anpassen werden. Was meinen Sie dazu?
Bei meiner Arbeit mit Flüchtlingsfamilien habe ich noch nie ein Kind sagen hören „das ist nicht mein zu Hause, meine Schule oder mein Stadtteil“. Keine Mutter und kein Vater haben je zu mir gesagt „mein Kind soll hier nicht integriert werden, in Ruhe hier ankommen und sich zu Hause fühlen um etwas erreichen.“ Ich habe noch nie von einem Flüchtling gehört, der gesagt hat „ich bin zwar hier, aber ich will hier nicht ankommen“. So funktionieren Menschen einfach nicht. Das widerspricht unserer Biologie. Menschen gehen nicht in einen Schutzort und sagen dann „ich bin hier und ich will hier Stress machen“. Natürlich gibt es Menschen – das können Deutsche oder Migranten sein – die sich in kriminellen Szenen bewegen. Aber das hat nichts direkt mit Flüchtlingen zu tun, das kommt überall vor.
Haben Sie sich, als Sie in den 80ern aus Afghanistan nach West-Berlin flohen, in Deutschland willkommen gefühlt?
Ja, das war noch eine ganz andere Zeit, auch von der politischen Situation her. Die Russen waren damals im Kalten Krieg in Afghanistan einmarschiert. Ich hatte von Anfang an gute Startbedingungen – ich musste nicht in einem Flüchtlingslager wohnen, Entscheidungen wurden schnell gefällt, es gab keine langwierigen Verfahren. Schon nach ein paar Monaten hatte ich meine Aufenthaltserlaubnis, konnte zur Schule gehen und arbeiten. Ich wusste, ich durfte bleiben und musste nicht täglich fürchten, dass mich die Polizei wieder abholt und zurück nach Afghanistan schickt.
Und wie ist das mit der jetzigen Situation von Asylbewerbern?
Heute befinden sich Asylbewerber in einer unsicheren Situation, weil sie nicht wissen, ob sie bleiben können oder wieder zurückgeschickt werden. Für die Familien stellt das eine absolute psychische Belastung dar. Emotional sitzen sie jeden Tag auf gepackten Koffern und das manchmal jahrelang. Viele Menschen mussten große Entbehrungen auf sich nehmen, um ihre Heimat verlassen zu können. Sie hatten die Hoffnung, sich bei uns endlich wieder sicher fühlen zu können. Doch mit der Ungewissheit über ihren Aufenthaltsstatus werden sie enorm belastet. Sie bleiben finanziell abhängig und dürfen nicht zur Schule gehen oder eine Ausbildung machen. Manche werden dadurch sensibel, krank und manchmal sogar aggressiv.
Wie erschwert das die Interaktion zwischen Flüchtlingen und den meist deutschen Nachbarn?
Die Flüchtlinge sind auf allen drei Ebenen, psychologisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich mit Hindernissen konfrontiert, die ihre positiven Erfahrung mit den deutschen Mitmenschen erschweren. Natürlich entstehen dann negative Bilder auf beiden Seiten. Die Flüchtlinge empfinden das Land und die Gesetze als ungerecht. Die Deutschen widerum wissen oft wenig über die Situation der Flüchtlinge. Manch einer fragt sich warum die Flüchtlinge nicht arbeiten gehen, ohne zu wissen, dass sie das gar nicht dürfen auch wenn sie wollten.
Was kann man Menschen, die Flüchtlingen gegenüber negativ eingestellt sind entgegnen?
Viele Menschen hier in Deutschland haben Befürchtungen, wenn in ihrer direkten Umgebung ein Flüchtlingsheim gebaut werden soll. Da hilft es, wenn sie von den Verantwortlichen aufgeklärt werden und genügend Informationen zu den Geschehnissen erhalten. Man kann diese Menschen mit Hilfe von Statistiken, Polizeiberichten und Kriminalitätsreporten von ihren Ängsten befreien. Sprich mit Hilfe von Fakten ihre negativen Befürchtungen entkräften. Auch ein gegenseitiges Kennenlernen ist wichtig, um Unsicherheiten zu beseitigen. Auf der anderen Seite gibt es aber auch diejenigen, die schlicht Vorurteile gegenüber den Flüchtlingen haben. Die sagen, „Ich will nichts mit Fremden zu tun haben, das sind schlechte Menschen.“ Da reicht ein „haben Sie doch bitte Verständnis für die Flüchtlinge“ nicht aus, weil die Meinung zu verhärtet ist. Stattdessen hilft da nur politische Arbeit, zum Beispiel Anti-Rassismus Kampagnen.
Wie müsste sich die Flüchtlingspolitik ändern, damit sich die Situation verbessert?
Die ganze Asyl-Politik müsste überarbeitet werden. Ich glaube zum Beispiel die Unterbringung verschiedenster Nationen in einem Haus ist nicht mehr zeitgemäß. Viel besser wäre es die Flüchtlinge in Wohnungen unterzubringen, genauso wie jeden anderen auch. Außerdem ist es ein Problem, dass eine Haltung vorherrscht, die die Tatsache, dass viele Menschen hier Asyl beantragen als einen vorübergehende Zustand darstellt. Die Politik tut fast so als wäre es jedes Mal eine Überraschung, wenn es heißt wir müssen Flüchtlinge aufnehmen. Dabei ist das bei einem reichen Land wie Deutschland doch vorhersehbar. Wir müssen aufhören in Wenns zu sprechen. Wir bauen ja auch nicht nur dann Schulen, Kitas und Krankenhäuser Wenn die Kinder auf die Welt kommen, sondern schon bevor es soweit ist. Dieselbe Weitsicht sollte auch in der Flüchtlingspolitik gelten, damit man nicht immer wieder die gleichen Fehler macht.
Sosan Azad ist Geschäftsführerin bei Streit Entknoten
dem Büro für Mediation und Interkulturelle Mediation
(Ein Beitrag von Shirley Ogolla und Anna Ilin)